Alk am Steuer - das böse Erwachsen im Rolli

 

Gespräch mit Marc Meier, Unfallopfer

Hi Leute,

ich heisse Marc und bin 16.
Eigentlich hatte ich ja früher mit Behinderungen nichts am Hut, aber jetzt...
Naja, ich bin vor 7 Monaten (im Sommer 2000) mit einem Freund (er ist schon 18) mit dem Auto von einer Party heimgefahren. Er hatte scheinbar zuviel getrunken und wir hatten einen Unfall.
Die Folgen waren leider ziemlich schlimm. Er kam beim Crash ums Leben und ich...
...Als ich im Krankenhaus aufwachte, merkte ich sofort, dass ich vom Bauch an abwärts nichts mehr spürte, es schien als wären meine Beine nicht mehr da.
Dann kam der Arzt und brachte die Hiobs-Botschaft:
"Es tut mir leid, aber du musst aufgrund der Paraplegie, die du dir durch den Unfall zugezogen hast, für immer im Rollstuhl sitzen!"

Seit 7 Monaten sitz ich nun im Rolli und komm mir immer noch ziemlich hilflos vor. Früher hätte ich nie geahnt, wie das wirklich ist, wenn man vom Bauch an abwärts nichts mehr spürt und die Beine nicht mehr bewegen kann.
Man kann es vergleichen mit einem Baby. Es ist, wie wenn man ein Baby wäre, man muss Windeln tragen, muss angezogen werden und und und....

In der Schule war es am Anfang schon schwer.
Es ist schon doof, so 16/17-Jährigen zu erklären, dass man jetzt mit 16 Windeln tragen muss....


Rückkehr von einer Party.....am Steuer ein alkoholisierter Fahrer....gute Stimmung.....plötzlich ein Crash...böses Erwachen im Spital... und nichts war mehr wie zuvor...

Der Arzt brachte die Hiobs-Botschaft: "Es tut mir leid, aber du musst aufgrund der Paraplegie, die du dir durch den Unfall zugezogen hast, für immer im Rollstuhl sitzen!".

Marc, auf der Nach-Hause-Fahrt von einem Fest hat sich dein Leben schlagartig verändert. Hattest du damals wahr genommen, dass dein - beim Unfall getöteter Kollege alkoholisiert in den Wagen gestiegen ist?

Nein, ich hatte natürlich keine Ahnung, dass er Alk getrunken hatte, denn sonst wäre ich sicher nicht eingestiegen und ich hätte mich auch nicht gescheut, ihn darauf anzusprechen.

Es war das erste und letzte Mal, dass ich mit solch einem Fahrer mit gefahren bin.

Ich hatte mir vorher auch nie Gedanken zu Unfällen infolge Konsums von Alk gemacht, da ich ja bisher nie mit sowas zu tun gehabt hatte.


Weisst du noch, welches deine ersten Gedanken nach dem Unfall waren?

Tja, meine ersten Gedanken waren wohl "oh Gott, das kann doch nicht sein, dass du jetzt behindert und querschnittsgelähmt bist und dein Leben lang im Rollstuhl sitzen musst", sowas in der Art.


Hat sich das Verhältnis zu deinen früheren Kollegen geändert?

Jein. Es ist halt so, dass sie rücksichtsvoller sind, aber es noch nicht so richtig verstehen können, dass ich vorher noch Fussball,etc., gespielt hab und jetzt nicht einmal mehr alleine aufstehen kann.

Was bereitet dir im Moment am meisten Mühe?

Am meisten Mühe habe ich jetzt noch mit den Lähmungen der Rumpffunktionen (Blase, Darm). Ich muss ja einen Katheter tragen ( für den Urin) und Windeln (für das andere...).

Ein anderes Problem ist die Hilflosigkeit. Ich kann nicht einmal mehr einfachste Treppen gehen, nein, ich muss Rampen hochrollen, ich muss aus dem Auto in den Rollstuhl gehoben werden, kann wie gesagt, nicht mehr selbständig stehen oder mich aufrichten und ich muss gewickelt und angezogen werden....


Hast du dir früher - vor dem Unfall - jemals Gedanken zu Behinderungen gemacht?

Nein, Gedanken über sowas hab ich mir noch nie gemacht, warum denn auch? Ich hatte ja nie mit so etwas zu tun gehabt.

Sicher hab ich Leute, die im Rolli sitzen bemitleidet, aber mir nie Gedanken darüber gemacht.


Fändest du es wichtig, dass an Schulen im Unterricht über Behinderungen und/oder Alkohol und Unfallgefahren gesprochen wird?

Ja, es wäre schon wichtig, über sowas zu sprechen, da so solche Unfälle verhindert werden könnten.

Man könnte ja die Erfahrungen und Meinungen solcher Leute wie mir mit einbinden.


Welches war für dich das prägendste Erlebnis nach dem Unfall ?

Das 'grösste Erlebnis' war unglücklicherweise ein äusserst frustrierendes. Es ist ziemlich peinlich, aber ich erzähle es trotzdem.

Als ich wieder zur Schule ging (es war so ca. 17.00 Uhr) und alleine in der Aula war, um dort auf meine Mutter, die mich abholen sollte, zu warten, sind so ein parr Typen (16/17 Jahre alt) zu mir gekommen und haben mich total geärgert. Sie sagten so Sachen wie 'na du Krüppel, zu blöd zum Laufen.....' und da es mehrere waren, hatte ich wohl auch etwas Angst.

Naja dann passierte es; ich hatte es erst gar nicht bemerkt, da ich ja nichts mehr spüre; ich hatte vor Schiss in die Hosen gemacht. Normalerweise würde mir das ja nicht passieren, da ich gelernt habe, das zurück zu halten oder allenfalls wäre ich einfach abgehauen.

Jedenfalls haben sie es dann irgendwie gemerkt und dann gings los: "Bist zu zu blöd zum Schei***, musst du Baby noch Windelchen tragen, "usw.

Das war Gott sei Dank das einzige doofe Erlebnis. Ich habe für solche Typen kein Verständnis, denn ich hätte, als ich noch gehen konnte, auch keine Behinderten verarscht.


Gibt es einen Traum, den du verwirklichen möchtest?

Ein momentan sicherer Traum wäre, dass ich wieder gehen könnte und nicht mehr an den Rollstuhl gefesselt wäre. Vielleicht ändern sich die Träume mit der Zeit.

Vielen Dank Marc, für deine Offenheit und das Gespräch! Weiterhin gut Mut und viel Erfolg bei Therapien, Berufswahl und im privaten Leben!

Interview Christine Fischer, März 2001; leider habe ich Marc inzwischen aus den Augen verloren, er wäre sehr gerne bereit gewesen für weitere Kontakte - auch mit euch per Mail, z.B. Marc, solltest du das per Zufall lesen, bitte melden, danke! :-)

Marc Meier (rechts), 16 J.
Marc (rechts), im Sommer 2001 an einem Basketball-Turnier