Besäufnis per Mausklick

Jugendtrend Alkohol findet immer mehr Anhänger in der Schweiz

Sie verabreden sich übers Internet, zu Hunderten und Tausenden, und sie haben nur eines im Sinn: Trinken bis zum Umfallen. Öffentliche Massenbesäufnisse liegen auch bei Schweizer Jugendlichen im Trend.


In Deutschland ist die Alkohol-Mode bei Jugendlichen unter dem Schlagwort «Koma-Saufen» bekannt. Zuletzt haben Mitte Juli rund 1300 junge Leute, vernebelt vom Alkohol, eine Parkanlage in Genf verwüstet. In Basel wurden zum traditionellen Harassenlauf am 1. Mai rund 2000 «vollgelaufene» Jugendliche gemeldet.

Katz-und-Maus-Spiel

Die Schweizer Behörden versuchen jetzt, die besorgniserregende Jugendbewegung durch Vermittlungsgespräche zu bremsen. «Wir wollen verhindern, dass ein nicht endendes Katz-und-Maus-Spiel zwischen Polizei und Jugendlichen entsteht, wie wir es aus Spanien und Frankreich kennen», sagt der Sprecher des Genfer Departements für Soziales, Jugend und Sport, Sami Kanaan.

Anführer ist Genfer Student

In der Schweiz steht ein 22 Jahre alter Student aus Genf an der Spitze der Sauf-Bewegung. Auf dem Internetportal Facebook moderiere der junge Mann ein Diskussionsforum, in dem sich Alkohol-Anhänger zu Trinkgelagen an öffentlichen Plätzen verabredeten. Die Behörden haben laut Kanaan im Netz mitgelesen und konnten so einen weiteren Exzess in der vergangenen Woche verhindern. «Wir haben einfach den Park geschlossen.»

Da es sich bei den so genannten «Botellóns», den Massen-Besäufnissen, um keine unerlaubte Versammlung handle und überwiegend junge Erwachsene daran teilnähmen, hätten die Behörden keine rechtliche Handhabe. «Wir können nur eingreifen, wenn öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet sind», sagt Kanaan. Schon für den 22. August stehe das nächste Massenbesäufnis in Genf an. «Alkoholjünger» haben auch in Lausanne zu neuen «Botellóns» aufgerufen.

Fotos der Exzesse im Internet

Gibt man einschlägige Suchbegriffe in eine Internetsuchmaschine ein, stösst man auf mehrere solcher Sauf-Foren. «Das nächste Mal müssen wir uns in einem Park treffen, den sie nicht zusperren können», schreibt ein junger Mann namens Nicolas. In Anspielung auf die Polizei wünscht er den «Botellón»-Teilnehmern «viel Erfolg mit dieser Bande».

Stolz präsentieren junge Trinker Fotos ihrer Alkohol-exzesse auf der Site. Die Stadt Genf versucht nun, mit den Organisatoren Kompromisse zu schliessen. Derzeit liefen persönliche Gespräche mit dem 22 Jahre alten «Moderator» der Alkohol-Exzesse. Man fordere «ein Minimum an Organisation und Zusammenarbeit», sagt Kanaan.

Auch in Deutschland macht der Trend zum Alkohol bei Jugendlichen den Experten Sorgen. Nach Angaben der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) vom Juni hat sich die Zahl der Jugendlichen, die stark alkoholisiert ins Spital gebracht werden mussten, in den vergangenen sieben Jahren auf rund 19 500 Fälle verdoppelt.

(KATJA KULLMANN, DPA )

Quelle, AZ, 15. August 2008

Weitere Infos zu aktuellen Trends: sfa - Schweizerische Fachstelle für Alkohol- und andere Drogenprobleme