Erlebnisse unterwegs

Abenteuerliche Situationen

Auf seinen Reisen hat Peter Jaeggi einige gefährliche Situationen erlebt. Lassen wir ihn erzählen:

Im Hochland von Guatemala sind wir unterwegs mit den «Ärztinnen ohne Grenzen». Wir sitzen in einem nigelnagelneuen Landrover und sind auf dem Weg zu Dörfern der Urbevölkerung, wo die Ärztinnen daran sind, ein bisher fehlendes Netz für eine einfache Gesundheitsversorgung aufzubauen. Die Naturstrasse schlängelt sich über schwindelerregenden Abhängen immer höher, vorbei an Vulkanen und Seen. -

Nach etwa zwei Stunden Fahrt fliegen wir plötzlich durch die Luft; fast zeitlupenartig, so scheint es, läuft alles ab. Das Auto überschlägt sich und bleibt mit heulendem Motor auf dem Dach liegen. Zum Glück nicht auf der Seite des einige hundert Meter tiefen Abhanges, sondern in einem Graben auf der andern Strassenseite. Leichte Verletzungen, ein Schleudertrauma und eine schockierte Besatzung.

Am Ende stellt sich heraus, dass man den Landrover vor der Abfahrt zu einem letzten Sicherheitscheck in eine Garage gab. Dort wurde ein neues Teil am Steuersystem gegen ein altes und brüchiges ausgewechselt ... Das war der Grund, weshalb das Auto plötzlich unsteuerbar wurde. Der Chauffeur war davon überzeugt, dass da böse Mächte mitmischten.

Zu Hause nahm er einen kleinen Fetisch (ein kleines, holzgeschnitztes Männchen mit indianischer Kleidung) aus dem Schrank, stellte ihn auf den Tisch, steckte ihm eine brennende Zigarette nach der andern in den Mund und schüttete ihm reichlich Alkohol in den hölzernen Schlund. Zur Beschwichtigung der bösen Geister.

 

 

Als 1998 im Kongo der Krieg ausbricht, stecke ich tief im Landesinnern. Die Reise zurück in die Hauptstadt Kinshasa ist mit viel Mühsal und Ängsten verbunden. Überall Strassensperren. Kindersoldaten bis an die Zähne mit Maschinengewehren und Granaten bewaffnet. Man weiss nie, ob diese missbrauchten Kinder ihre Waffen nicht plötzlich als ''Spielzeug'' einsetzen. Der Flugverkehr ist praktisch eingestellt. Um den Provinzflughafen haben sich ganze Gürtel von Militärs aufgebaut. Es wird ein Spiessrutenlauf von Kontrollposten zu Kontrollposten. Stets in Angst, dass die Koffer durchwühlt werden und das kostbare Bild- und Tonmaterial beschlagnahmt wird. Irgendwie klappt es dann doch. In der Hauptstadt Kinshasa dann zwei mühevolle Tage auf dem völlig überfüllten Flughafen. Viele Menschen wollen fliehen - aber keine Flugzeuge sind in Sicht. Die belgische Armee beginnt mit Evakuationsflügen. Es kommt zu wüsten Szenen.

Zuerst werden alle belgischen Staatsbürger ausgeflogen (der Kongo war belgische Kolonie), dann Franzosen usw. Einheimische Schwarze lässt man zum Teil sitzen und sie sehen sich einmal mehr als Sklaven fremder Mächte. Im übrigen: die allerletzten, die evakuiert werden, sind unter anderem Schweizer, da vorher alle Bürger(innen) der Europäischen Union an der Reihe sind.

 

Bilder, die ich nie mehr vergesse: Knapp ein Jahr nach dem schweren Erdbeben in Pakistan unterwegs mit einer Rot-Kreuz-Delegation im afghanischen Grenzgebiet. Dörfer an Hängen, die zur Hälfte oft mehrere hundert Meter in die Tiefe abgebrochen sind. Der Dorfschullehrer, der uns einen Abhang zeigt und sagt, hier seien viele seiner Mitbewohner verschüttet. Man wird sie nie mehr finden. Die engen Bergsträsschen, durch die wir fahren und immer wieder grössere und kleinere Steinlawinen. Die Natur spielt mit uns eine Art Russisch Roulett. Der alte Mann, der ein eben angekommenes Bettgestell auf seinem Kopf bergwärts in sein Dorf trägt.

 

Wenn, wie auf einer der letzten Reise durch Sumatra und Borneo, plötzlich ein Rad abfällt, wenn im Urwald eine behelfsmässige Baumstammbrücke einsackt – oder wenn im Regenwald ein riesiger Ast knapp neben uns auf die Erde donnert, wundert man sich manchmal, dass nichts Schlimmeres passiert ist. Und da ist auch das Bewusstsein, wie haarscharf man vielleicht an schweren Behinderungen vorbei gekommen ist. Einfach nur Glück?