Landschaft Nepals - nach Thomas Hale
Landschaft Nepals - Th. Hale
Hinter uns erhob sich, steil und zerklüftet, die nördliche Gipfelseite des Liglig. Aus windgeschützten Senken zwischen den Felsen leuchteten Rhododendronbüsche. Weiter unten standen subtropische Baumarten, unter anderem wilde Kirschen- und Pflaumenbäume. Sechzig Meter unter dem Dorf und vielleicht eineinhalb Kilometer entfernt, am unteren Ende des Gipfelhangs, konnte man eine Baustelle sehen - das neue Krankenhaus; etwas über ihm, vom Hang verdeckt, stand das kleine Steinhaus, das bald unser neues Heim werden sollte.
Die Eindrücke dieses ersten Besuchs in Amp Pipal sind uns noch so frisch in Erinnerung, als sei der Besuch erst gestern gewesen. Mit schußbereiter Kamera streiften wir durch die Gegend, erforschten das endlose Netz der Schlängelpfade. Blühende Bäume, schneeweiß und purpurrot; knallgelbe Senffelder, rosa blühender Buchweizen, übermannshohe Weihnachtssternhecken mit tellergroßen Blütenkelchen; Dickichte aus Riesenbambus, die der Wind knarrend hin- und herwiegte; singende Frauen bei der Arbeit auf von niedrigen Steinmauern eingefaßter Feldern. Und überall Reis, Reis und noch einmal Reis - jetzt noch sattgrün, aber bald goldgelb und reif zur Ernte.
Bis auf die steilsten Hänge und die verstreuten Waldstücke war fast jeder Quadratmeter des Bodens terrassiert und bebaut überall wuchs, sproß und blühte es. Das würde nicht mehr sehr lange so bleiben. Noch sechs Wochen, und die bunte Pracht würde zur braunen Einöde werden und die Berge hinter einem undurchdringlichen Dunstschleier auf den nächsten Monsun warten. Aber darüber brauchten wir uns jetzt noch keine Gedanken zu machen, in vollen Zügen genossen wir die atemberaubende Schönheit, die uns umgab und die unsere kühnsten Erwartungen noch weit überstieg.