Pierre-Dominique Hool, UN-Sektor-Kommandant in Nepal
Das Gefühl, dazu beigetragen zu haben, dass die Wahlen statt finden konnten, und am Ende einer UNO-Mission nach Hause gehen zu können im Wissen, dass die Mission ihr Ziel erreicht hat, ist ein grossartiges Gefühl.
Zur Vorbereitung eines Vortrags zur UNO an unserer Schule hatten wir Gelegenheit, Herrn Pierre-Dominique Hool, ehem. UN-Sektor-Kommandant in Nepal und Georgien, ein paar Fragen zu stellen.
Pierre Hool, wie kommen Sie zu einer Anstellung bei der UNO?
Für die Arbeit als UNO-Beobachter muss man Offizier sein (mindestens Hauptmann; dies schreibt die UNO vor). Man besucht einen dreiwöchigen internationalen Spezialkurs (in englischer Sprache) – in der Schweiz in Stans, im Zentrum für Auslandeinsätze SWISSINT- , in dem alle wichtigen Themen intensiv geschult werden: Auto fahren in schwierigem Gelände; Gespräche mit verschiedenen Funkgeräten; Kenntnis des Landes, in welchem man tätig sein wird; Kenntnis der UNO-Strukturen; Verhalten im Ausland usw.
Was interessiert Sie an der UNO als Organisation grundsätzlich?
Mich interessiert die Zusammenarbeit mit Leuten aus verschiedenen Ländern. In Nepal war ich in unserem Sektor der einzige Schweizer; insgesamt arbeiteten dort Leute aus dreissig verschiedenen Nationen.
Da mit Ausnahme vom Vatikan alle Nationen der Welt Mitglied der UNO sind, ist dies die einzige Organisation, die weltweiten Einfluss ausüben kann.
Welches sind die Gründe, die Sie ausgerechnet zu einer Mission nach Nepal führten?
Das war ein Zufall. Ende August 2007 erhielt ich von SWISSINT einen Telefonanruf, dass in Nepal dringend ein Schweizer benötigt werde, und Mitte Oktober sass ich schon im Flugzeug nach Kathmandu. Zuvor mussten aber noch 15 Impfungen gemacht werden… Wenn es eilt, kann man sich den Einsatzort nicht auswählen; Nepal hat mir jedoch gepasst.
Nepal, für viele Europäer eine Art „Traumland“. Wie würden Sie dieses Land beschreiben?
Die Menschen dort sind sehr freundlich und Ausländern gegenüber zuvorkommend. Das Land ist aber sehr arm. Viele Familien leben in ganz einfachen Verhältnissen.
Deshalb spielt das Trekking eine grosse wirtschaftliche Rolle mit den Einnahmen werden die vielen Naturpärke unterhalten. Manche Familien leben von der Führertätigkeit ihrer Eltern.
Abgesehen von einer grossen Strassenverbindung quer durch das Land (von Nordosten nach Südwesten) und den beiden Strassen zur Hauptstadt Kathmandu und zum Touristenort Pokhara gibt es keine guten Verbindungen. So sind die meisten Leute zu Fuss unterwegs. Wer es sich leisten kann, nimmt den Bus. Davon gibt es zu wenig, so dass viele Passagiere auf dem Dach sitzend reisen, was natürlich sehr gefährlich ist.
Im Frühling 2008 ist aus dem Königreich eine Republik entstanden; der König wurde abgesetzt, weil das System von Bestechungen durchsetzt war. Immer wieder haben uns die Menschen erzählt, sie würden gerne so leben wie wir in der Schweiz. Allerdings ist das Wasser verschmutzt und der Verkehr geht in einem totalen Chaos fast unter.
Wie sind die Kontakte der einheimischen Bevölkerung zu UN-Angestellten?
Die Kontakte waren sehr gut. Immer wieder haben uns die Nepali für unsere Anwesenheit gedankt. Sie sagten, ohne die UNO hätten sie die Wahlen am 10. April 2008 nie durchführen können. Dabei muss man aber auch bedenken, dass sie selber sehr viel zu den Wahlen beigetragen haben.
Die jüngere Generation spricht Englisch. Sie lernen diese Sprache schon in der Primarschule. Für Gespräche mit der älteren Generation bracht man
Dolmetscher/Übersetzer; sie werden offiziell „Language Assistant“ (Sprachassistenten) genannt. Sie übersetzen gesprochene und geschriebene Texte hin und her in Englisch und Hindi.
Konflikte mit der einheimischen Bevölkerung hat es während meiner Zeit nicht gegeben.
Inwieweit spielt die Sprache bei den spontanen Begegnungen oder der Arbeit mit der Bevölkerung eine Rolle?
Bei täglichen, einfachen Gesprächen bedient man sich auch der Körpersprache, braucht die Hände und den Gesichtsausdruck.
Bei wichtigeren Gesprächen muss man schon professioneller vorgehen. Entweder sprechen beide Gesprächspartner Englisch, oder man zieht einen Dolmetscher bei.
Welches sind Ihre konkreten Aufgaben in Nepal? Wie sieht z.B. ein Arbeitstag aus?
Der Sicherheitsrat der UNO hat uns ein Mandat, einen Auftrag gegeben. Dieser entstand aus der Anfrage der Regierung von Nepal, die ja die UNO um Unterstützung für die bevorstehenden Wahlen gebeten hatte.
Unser Auftrag bestand darin, die „Rebellen“, also die maoistische Armee (etwa 30‘000 Männer und Frauen) und die Nepalesische Armee (etwa 80‘000 Soldaten) zu überwachen.
Eine andere Gruppe hatte den Auftrag, die eigentlichen Wahlen vorzubereiten, indem sie dafür gesorgt hat, dass für die ganze Bevölkerung der Zugang zu den Urnen sichergestellt war.
Wir haben jeden Tag, auch am Wochenende, die beiden Armeen besucht und – so weit es ging – kontrolliert, ob die Zahl der Waffen und Soldaten mit den Angaben auf den Listen überein stimmte.
Was wäre Nepal ohne UN-Präsenz?
Das Verdienst ist ganz sicher die Kürze der UNO-Mission, Sie hat im Prinzip eineinhalb Jahre gedauert: Das ist sehr kurz. Im Vergleich dazu: die Mission im Nahen Osten dauert schon 60 Jahre.
Ohne UN-Präsenz hätten die Wahlen am 10. April 2008 kaum statt finden können. Die Wahlen waren wichtig für die Neugründung der Republik. Die gewählten Personen bilden jetzt die neue Verfassung; sie rechnen mit zwei Jahren, bis es so weit ist.
Was ist das für Sie persönlich für ein Gefühl, in einem Entwicklungsland Verantwortung zu tragen, wo nötig einzugreifen? Lebt sich da gut – und ohne Angst?
Angst musste ich sozusagen keine haben, weil – wie oben geschildert – die Nepali mit den Ausländern im Allgemeinen und mit den UNO-Angestellten im Besonderen sehr freundlich umgegangen sind.
Das Gefühl, dazu beigetragen zu haben, dass die Wahlen statt finden konnten, und am Ende einer UNO-Mission nach Hause gehen zu können im Wissen, dass die Mission ihr Ziel erreicht hat, ist ein grossartiges Gefühl.
Welches waren die Schwierigkeiten am Anfang des Einsatzes?
Schwierig war die Angewöhnung ans Essen; die meisten haben irgendwann „den Käfer“ erwischt – trotz der Impfungen. Man kann einfach nicht alles essen, weil es – für unsere Verhältnisse – nicht sauber genug ist. Der Genuss eines Salates zum Beispiel kam einfach nicht in Frage.
Die zweite Herausforderung waren die hohen Temperaturen, bis 43°. Das ist sehr warm und man schwitzt die ganze Zeit.
Klar war es nicht einfach, von zu Hause weg zu gehen. Für diejenigen, die zurück bleiben, ist es schwieriger; wer verreist, den erwartet eine spannende Zeit.
Können Sie uns Ihr eindrücklichstes, negativstes und positivstes Erlebnis beschreiben?
- Positiv: der ausserordentlich gute und freundliche Kontakt zu den „Rebellen“.
- Negativ: Die verhältnismässig vielen Unfälle auf den Strassen wo immer viele Opfer zu beklagen waren.
Sie hatten ebenfalls einen UN-Einsatz in Georgien; welche Unterschiede gab es zwischen den beiden Ländern?
In Georgien liegt der Kaukasus, in Nepal der Himalaya. Insofern gibt es Parallelen, da in beiden Ländern viele Menschen in den Bergen wohnen. Der UNO-Einsatz in Georgien war heikler, da im Land noch viele Minen umherliegen. In Bezug auf die Arbeit gibt es jedoch keinen grossen Unterschied; auch in Georgien haben wir die beiden Armeen überwacht, die abchasische und die georgische.
Ihre Mission in Nepal geht Mitte Juli zu Ende. Was nehmen Sie vom Nepal-Einsatz mit?
Viele gute Erinnerungen an ein schönes Land und eine interessante Arbeit und natürlich an neue Freunde, die ich dort kennen gelernt habe.
Was wünschen Sie diesem Land?
Eine neue Regierung, die es versteht, den Einwohnern mehr Gerechtigkeit und Lebensqualität zu bringen.
Was sollten die Völker/Menschen dieser Welt über Nepal zur Kenntnis nehmen?
Dass Nepal als kleiner Staat zwischen den beiden Staaten liegt, die die grösste Bevölkerung der Welt haben (Indien und China) und unbedingt unabhängig bleiben soll.
Und: Man kann Nepal besuchen, ohne unbedingt ein Trekking in den Himalaya zu unternehmen. Der Terai, das Gebiet in der Ebene an der Grenze zu Indien, ist sehr schön und sehenswert.
Was sind Ihre weiteren Aufgaben?
Seit dem neuen Schuljahr arbeite ich wieder als Lehrer.
Herzlichen Dank, Herr Hool für die Beantwortung der Fragen und für die Zeit, die Sie sich nehmen, unsere Schule zu besuchen, um uns Ihre Eindrücke Ihres Einsatzes - umrahmt von Bildern - zu beschreiben.
Sommer 2008, Christine Fischer