Jugendbücher rund um Behinderungen
Auszeit oder Der Löwe von Kaúba - Reinhardt Jung
Jungbrunnen Verlag, Wien, 1996; 94 S., ill.
Hannes, ein körperlich behinderter deutscher Junge, setzt sich mit dem Schicksal, das ihm als Behindertem im Dritten Reich zugemutet worden wäre, auseinander, indem er die Ereignisse von damals in sein eigenes tägliches Leben projiziert und so eine Art «Traum- und Scheinleben» entstehen lässt.
Wichtiges Buch zu einem Tabu-Thema. Im zweiten Teil des Buches sind verschiedene interessante Zeitdokumente wie Propagandamaterial und Beispiele aus Schulbüchern jener Zeit zu finden.
Leonies Geschichte...Der verlorene Blick - Jana Frey
Loewe, Bindlach, 2002, 170 S.
Leonie ist 15 Jahre alt, ihr Kennzeichen und Stolz sind ihre wunderschönen waldmeistergrünen Augen. Eines Tages passiert - in einem Anflug jugendlichen Leichtsinns ein entsetzlicher Unfall. Leonie erwacht in einer Welt der totalen Finsternis; sie ist blind.
Leonies Geschichte ist tatsächlich passiert. Jana Frey gelingt es ausgezeichnet, den Kampf zurück in ein "normales" Leben zu schildern. Leonie verkriecht sich vorerst immer mehr in sich selber, kapselt sich ab, will gar nicht mehr leben....ihre Familie und ihre Freunde geben nicht auf, versuchen sie immer wieder aus dem dunklen Loch zu ziehen, obwohl sie meist von Leonie zurück gestossen werden. In einem mühseligen, schmerzvollen Prozess lernt das Mädchen, Selbständigkeit und Selbstbewusstsein zurückzuerlangen.
Eine anregende, faszinierende, aber auch Mut machende Geschichte!
Das Geheimnis des Feuers - Henning Mankell
Oetinger Verlag, Hamburg, 1997; 159 S.
Sofias Vater wird im Krieg in Moçambique getötet. Mit zwei Geschwistern und der Mutter flüchtet sie. Beim Spielen mit ihrer Schwester tritt Sofia auf eine Mine; Maria wird getötet, Sofia verliert ihre Beine. Mit grosser Willenskraft gelingt es der 13-Jährigen, ihrem Leben wieder Sinn zu geben.
Die Geschichte Sofias ist nachgezeichnet. Mankell, lange Zeit in Moçambique wohnhaft, gelingt es, Szenen des Elends anschaulich und ergreifend darzustellen. Wichtiges Buch, das Auswirkungen eines Bürgerkriegs deutlich macht!
Das dunkle Licht - Mette Newth
Verlag Sauerländer, Aarau, 1997; 247 S.
Bergen (N), 1813. Die 13-jährige Tora wird mit Anzeichen von Lepra ins Hospital eingeliefert. Zu diesem Zeitpunkt ist Lepra unheilbar und zusammen mit vielen anderen Lepra-Kranken kämpft Tora verlassen und vergessen von der Umwelt mit dem Tod. Sie hilft mit bei der Wundpflege und gewinnt das Vertrauen einer fürchterlich entstellten, vornehmen Frau, die ihr angesichts des Todes noch Lesen und Schreiben beibringt, so dass Tora beim Vorlesen von Büchern ein bisschen Wärme und Geborgenheit in die Herzen der Schwerkranken zaubern kann.
Über Angst, Trauer, Wut, Hoffnungslosigkeit, Enttäuschung und Ohnmacht, aber auch über Hoffnung wird in diesem Buch gesprochen. Eine Geschichte, die gut recherchiert ist, historischen Wert aufweist, von den Leserinnen und Lesern Einiges abverlangt und niemanden unberührt lässt!
Mehr als ein guter Freund - Nancy Rue
Oncken Verlag, Wuppertal, 1996; 286 S., Tb
Die «Intelligenzbombe» Felicia Parks bekundet grösste Mühe beim Anblick von verletzten oder behinderten Menschen. Ausgerechnet sie verliebt sich in den hübschen Rollstuhlfahrer Mike. Durch die Beziehung mit Mike lernt sie allmählich, mit einer Behinderung umzugehen und vor allem: zu ihr zu stehen.
Eine heiter-ernsthafte und spannend erzählte Geschichte, die viele Aspekte einer Freundschaft zwischen einem Querschnittgelähmten und einer «Fussgängerin» aufzeigt. Realistisch und imponierend, wie beide Charaktere voneinander profitieren und lernen, jeder nach seinen Möglichkeiten und auf seine Art auftauchenden Schwierigkeiten zu begegnen. Dank der fundierten und realitätsbezogenen Darstellung der Konflike und ihrer Lösungen kann dieses Buch Jugendlichen in der Pubertät eine echte Hilfe bedeuten.
Interessante, gehalt- und humorvolle Lektüre.
Die Nachtstimme - Ilse Kleberger
Arena Verlag, Würzburg, 1995; 152 S., Tb
Benjamin verliert seine Lebenslust aufgrund von Schul- und Familienproblemen und gerät in den Teufelskreis des Alkohols. Als letzter Ausweg aus seiner Verzweiflung ruft er nachts bei der Telefonfürsorge an und fasst Vertrauen zu der Stimme einer jungen Frau, die für ihn Hoffnung bedeutet. Um jeden Preis will Benjamin diese «Nachtstimme» persönlich kennen lernen. Als er dies schafft, stellt er zu seiner grössten Verwunderung fest, dass die Frau an Multiple Sklerose leidet und deswegen im Rollstuhl sitzt. Er sieht, dass es Menschen gibt, denen es noch schlechter geht als ihm und die ihr Leben trotzdem meistern, ja sogar für andere, nichtbehinderte Mitmenschen eine echte Hilfe sind.
Hauptthemen dieses Buches sind - eindrucksvoll aufgezeigt - Ursachen und Auswirkungen von Alkoholismus bei Jugendlichen. Die Geschichte zeigt einen möglichen Weg auf, wie man aus diesem Teufelskreis der Sucht aussteigen kann, indem sie die starke Persönlichkeit einer Behinderten zu einer Hauptfigur macht, was gleichzeitig mithilft, vorhandene Vorurteile gegen Behinderte abzubauen und sie als ebenbürtige Mitmenschen kennen und akzeptieren zu lernen.
Dichte, packende und wertvolle Geschichte für ältere Oberstufenschüler/-innen; ebenfalls gut geeignet zur Suchtprophylaxe.
Ben lacht - Elizabet Laird
Oetinger Verlag, Hamburg, 1991; 177 S.
Annas kleiner Bruder Ben kommt mit einem Hydrozephalus zur Welt und bleibt sein kurzes Leben lang behindert. Anna liebt ihren Bruder sehr, ist immer für ihn da. Lange Zeit weiss niemand von ihren Klassenkameraden, dass ihr Brüderchen nicht wie andere Kinder ist. Als dieses Geheimnis gelüftet wird, bereitet es Anna Mühe, dazu zu stehen. Eines Nachts stirbt Ben. Für Anna geht das Leben weiter - aber alles verändert sich in ihr. Sie nimmt eine bezahlte Freizeitbeschäftigung in einem Laden an und während der Ferien hütet sie ein kleines Kind, das ihr hilft, ihre Gefühle rund um Ben, seine Behinderung und seinen Tod zu bewältigen.
Schön und einfühlsam geschriebene Geschichte, die aus einem den Gefühlen unterworfenen, pubertierenden Mädchen eine reife jugendliche Frau entstehen lässt. Ben selber hat keine Stimme; seine Behinderung wird aus den Handlungen, Reaktionen und Gefühlen seiner Mitmenschen reflektiert. Dieser Effekt verleiht der Geschichte einen besonderen Reiz.
Die honiggelbe Kutsche - Maria Seidenmann
Kinderbuch Verlag, Berlin, 1993, 149 S.
Der blinde Theo verbringt seine Schulferien zu Hause bei seinem Vater auf einem alten Gehöft. Eines Tages kommt der schwarze Benjamin vorbei. Ben weiss nicht, dass Theo blind ist und fühlt sich von ihm angestarrt - und dies mag er gar nicht; also erzählt er ihm eine blumige Geschichte über seine Herkunft.
Ebenso versteckt sich Theo. Nach einigen Stunden mit vielen Erlebnissen entdecken sie, wer sie wirklich sind, und lernen sich schnell als unzertrennliche Freunde schätzen.
Gefühlvolle, schöne Erzählung, die die Themenkreise «Aussenseiter» und «Freundschaft» auf eher ungewohnte Weise angeht.
Einfache, flüssige Sprache. Wärmstens empfohlen, bereits für ältere Mittelstufenkinder.
Ausgerechnet Harry! - Nancy Werlin
Loewe Verlag, Bindlach, 1995; 187 S.
Harry, der Schultyrann und Sohn eines Rabbiners, springt beim Baden ins Wasser und wird querschnittgelähmt. Alison, der er während des vergangenen Schuljahres das Leben zur Hölle gemacht hat, fühlt sich irgendwie schuldig und sucht immer wieder Harrys Nähe, obwohl dieser zunächst gar nichts von ihr wissen will. Alison spürt, dass hinter Harrys ruppiger Art etwas anderes steckt - ähnliche Gefühle, wie sie sie selber empfindet als Zwillingsschwester eines autistischen Bruders.
Gekonnt und glaubwürdig werden körperliche Behinderung, Judentum und Autismus miteinander verknüpft.
Spannend geschriebenes Buch, das vor allem auf die Psyche eines behinderten Jugendlichen einzugehen versteht. Gut geschildertes Ringen um eine echte, natürliche Freundschaft ohne Mitleid zwischen einem Behinderten und einer Nichtbehinderten.
Flüsternde Hände - Jordan Sherryl
Sauerländer, Aarau, 2001; 317 S.
Nachdem die 16jährige Marnie bereits zwei Tage nach ihrer Heirat mit einem mehr als doppelt so alten Mann zur Witwe wird, beginnt für das Mädchen ein wahrer, mutiger aber faszinierender Überlebenskampf. Von der Dorfbevölkerung wird sie als verhext angesehen - umso mehr als sie sich einem verstossenen, wilden, gehörlosen jungen Mann annimmt und als einzige beginnt, sich mit ihm zu unterhalten; sie erfindet eine Gebärdensprache, die der Bevölkerung als weiteres Beweisstück für ihre Hexerei dient.
Die Autorin hat viele Jahre mit gehörbehinderten Kindern gearbeitet; ihre Erfahrungen und ihr Feingefühl sind der Geschichte abspürbar. Ein ausserordentlich dichtes Werk, das trotz seines Umfangs rasch gelesen ist und uns in längst vergangene Zeiten entführt, als es ein "Verbrechen" war, anders zu sein.
Kino der Liebenden - Janine Teisson
Chili im Arena Verlag, Würzburg, 1999
91 S. ill.
«Es ist unglaublich, einfach unglaublich. Nein, ich glaube es nicht, es ist unmöglich! Schwörst du mir, dass du blind bist?» - «Ja aber, Marine, warum sollte ich das erfinden?»-«Ich habe mich auch gefragt, wann du dich darüber wundern würdest, dass ich mit dieser Brille ins Kino gehe, und wann du mich fragen würdest, was für eine Narbe ich da habe.»
Bei den wöchentlichen Filmvorführungen von Monsieur Piot lernen sich Marine und Mathieu kennen. Stets sitzen beide am selben Platz und unterhalten sich über den Film. Mathieu ist bezaubert durch das aufregende Parfum von Marine und Letztere durch das unkomplizierte Verhalten von Mathieu. Erst am Ende der Geschichte entdecken beide, dass beide blind sind.
<cite>Diese aussergewöhnliche Liebesgeschichte besticht durch ihre Schlichtheit und durch ihren trotz allem realitätsnahen Verlauf. Der Autorin ist es gelungen, sich auf einfühlsame Weise dem Thema der Blindheit zu nähern und es den Leserinnen und Lesern auf angenehme und natürliche Art schmackhaft zu machen.</cite><cite>
</cite><cite>Eine etwas andere Lovestory, die gern und zügig gelesen wird und nicht nur Jugendlichen empfohlen werden kann.</cite>
--> Lesequiz zu "Kino der Liebenden"
ICH werd' es schaffen - Mary Blakeslee
aare Verlag, Aarau, 1992; 208 S.
Mit 12 Jahren wird Phil Marsden durch einen Unfall querschnittgelähmt. Selbstmitleid und panische Angst vor den Reaktionen der Mitschüler bestimmen den Anfang seiner Integration in den Schulalltag. Als ihn seine Freunde fallen lassen, erwacht in ihm die «Denen-will ichs-zeigen-Mentalität». Praktische Hilfe findet er zudem beim Vater einer sich um ihn bemühenden Schulkameradin, welcher ebenfalls im Rollstuhl sitzt.
Phil tritt dem schuleigenen Debattierclub bei und gewinnt da den zweiten Freund, den Asthmatiker Roger; Phil erkennt, dass andere noch grössere Probleme haben und trägt aufgrund verschiedener Erlebnisse einen wichtigen Sieg davon: den Sieg über sich selbst.
Ausserordentlich dichtes Werk, packend bis zum Schluss, das praktisch alle Aspekte einer körperlichen Behinderung ohne jedes Pathos behandelt und den langen Weg vom Selbstmitleid bis zur Selbstannahme lebendig, glaubhaft und sachlich richtig schildert.
Leicht lesbar, gross geschrieben; hat sich als Renner unter den Jugendbüchern zum Thema «Behinderung» erwiesen.
Behalt das Leben lieb - Jaap ter Haar
Deutscher Taschenbuch Verlag, 143 S., Taschenbuch; 14 Jahre bis Junge Erwachsene
Durch einen Unfall verliert der 13-jährige Beer sein Augenlicht. In der nächsten Zeit durchlebt er Phasen der tiefsten Niedergeschlagenheit, aber auch Augenblicke der Hoffnung. Seine Familie wird vor Probleme gestellt, die nur mit viel Einfühlungsvermögen zu bewältigen sind. Doch trotz aller Verzweiflung und Angst, in die Beer gestürzt wird, eröffnen sich ihm neue Wege und Möglichkeiten, dieses veränderte Leben zu meistern.
Themen dieses Buches: Alleinsein, Angst, Behinderung, Familie, Freundschaft, Hilfsbereitschaft, Hoffnung, Krankheit, Selbstfindung
Wunderschönes, einfach lesbares Buch, sehr einfühlsam und eindrücklich , nahezu realistisch geschrieben; störend vearaltete Ausdrücke wie "Anstalt".
- Quiz zum Buch aus Schularena
Der Fall Mary-Lou - Stefan Casta
Oetinger Verlag, Hamburg, 230 S.
Seit Mary Lou sich in ihrer Kindheit aus Verzweiflung von einem Kirschbaum gestürzt - und sich dabei eine inkomplette Querschnittlähmung zugezogen hat, ist sie dem Unfallzeugen und gleichaltrigen Kameraden Adam nicht mehr begegnet.
Mary-Lou lebt völlig in sich zurück gezogen, hat sich in Selbstmitleid verloren. Mit 15 Jahren treffen sich die beiden wieder. Adam gelingt es allmählich, das Mädchen im Rollstuhl aus der Reserve zu locken; sie kommen sich wieder näher, wachsen gar über sich hinaus. Sichtbar wird dies - nebst der unvermeidlichen Love-Story -, daran, dass Adam mit Mary-Lous Unterstützung Schwimmen lernt und Adam Mary-Lou zu motivieren vermag, sich intensiver ihrem Stehtraining zu widmen.
Am Schluss der Geschichte trennen sich ihre Wege, beide Jugendlichen um ein gutes Stück gereift.
Ein klassisch erzähltes, bildhaftes Buch, verwoben mit Naturschilderungen der idyllischen ländlichen Abgeschiedenheit. Realistisch dargelegte Empfindungen einer Jugendlichen im Rollstuhl; gefällig der Weg, der aufzeigt, wie eine solche Situation überwunden werden kann.
Das Geheimnis der Luft - Tor Seidler
C. Bertelsmann Jugendbuch, München, 2000, 216 S.
Am liebsten rudert Katerina in der Freizeit in die Bucht hinaus, um Vögel zu beobachten; draussen fühlt sie sich frei, ungehemmt - ganz im Gegensatz zur Schule, wo sie sich eingeengt und beobachtet vorkommt - denn Katerina stottert.
Eines Tages entdecken Katerina und ihr Vater, ein berühmter Flugzeugingenieur, einen seltenen , senkrecht aus dem Wasser startenden Vogel; nach dem Vorbild dieses Vogels enwickelt Katerinas Vater ein weltraumtaugliches Flugzeug. Während der Testphase mit dem Prototyp fliegt ein Schwarm dieser ungewöhnlichen Vögel in das Triebwerk, was zum Absturz des Blechvogels und Tod des Piloten führt. Der Inhaber der Flugzeugfirma , der Grossvater von Katerina will sogleich alle diese wenigen "gefährlichen" Schüttschnäbel ausrotten, worüber Katerina tief bestürzt ist. Zum ersten Mal in ihrem Leben will das Mädchen für eine grosse Sache kämpfen - doch das geht nicht ohne Worte!
Tor Seidler erzählt mit viel Einfühlungsvermögen und Sachkenntnis. Das Buch ist gleichermassen für Naturschützer, Vogelkenner, Flugzeugbegeisterte, Stotterer und Personen geeignet, die sich gerne mit festem Willen für eine Sache einsetzen. Ermutigend das Bild von Katerina, der es gelingt, die Hemmschwellen ihrer Sprachbehinderung zu überwinden.
E-M@il in der Nacht - Doris Meissner-Johannknecht
Ellermann Verlag, Hamburg, 2002, 139 S. Rosanna, schwarzhäutig und im Rollstuhl, erwischt ihre Mutter mitten in der Nacht am PC. Zusammen mit Erik, dem ebenfalls behinderten neuen Klassenkamerad knackt sie das Codewort und liest die Mitternachts-Mails ihrer Mutter.
Ihre allein erziehende Mutter trifft sich heimlich mit einem Mann...Nur zu gerne wüsste Rosanna, wer dieser Mann ist. Erik und Rosanna machen es sich zur Aufgabe, dies heraus zu finden... und lernen sich gleichzeitig auch besser kennen und schätzen.
Wie staunen die beiden, als sie entdecken, dass niemand anders als Eriks Vater der gesuchte Lover ist.....
Die Geschichte wirkt ziemlich konstruiert, ist jedoch recht unterhaltend geschrieben. Die Leserschaft wird mit verschiedenen Thematiken konfrontiert - Verhältnis schwarz-weiss, allein erziehende Elternteile, Behinderung etc. Dies ergibt somit fast gezwungenermassen eine wenig tief greifende Story. Schade.
Trotzdem: eine vergnügliche, auch optisch und sprachlich gut zu lesende, humorvolle Geschichte.
Bis dann, Simon! David Hill
Anrich Verlag, Weinheim, 1995; 156 S.
David Hill, ehemaliger Lehrer, erzählt in seinem Jugendroman auf witzige und offene Art von Freuden und Leiden aus dem (Schul)-Alltag einer pubertierenden Klasse. Im Zentrum steht der an Muskelschwund leidende Simon, der ganz und gar nicht auf den Mund gefallen ist und sich trotz des schweren Rollstuhls und seiner physischen Unselbständigkeit keineswegs «behindert» gibt.
Oft vergessen so seine Freunde die Krankheit; andere Dinge rücken in den Vordergrund: Schule, Freundschaften, Mädchen - bis Simon immer schwächer wird und eines Tages stirbt.
Lockere, jugendgerechte Sprache, die kein Blatt vor den Mund nimmt. Die Tragik der Krankheit und des Todes wird durch die humor- und würdevolle Persönlichkeit Simons als etwas Erträgliches und «Normales» dargestellt, vielleicht ein bisschen verharmlost.
Gut in den Roman eingeflochten sind viele interessante und seriöse Sachinformationen zur Krankheit «Muskelschwund».
Die Reise zum Meer - Herbert Günther
Oetinger Verlag, Hamburg, 1994; 118 S.
Malte begegnet in den Ferien der an der Werdnig-Hoffmannschen Krankheit leidenden Bettina. Trotz ihrer Unfähigkeit, sich selber bewegen zu können, bringt diese Malte durch ihren Optimismus und Lebenswillen dazu, sich selbst und die Umgebung anders wahrzunehmen und über den eigenen Schatten zu springen. Durch den Umgang mit ihren Familienangehörigen, die Tag und Nacht für Bettina da sind, werden in Malte grundsätzliche Fragen wie «Was ist Liebe, Leben, Tod, Aufopferung?» aufgeworfen und in Beziehung zu seinen Vorstellungen gesetzt.
Die Geschichte enthält die leicht veränderte Biographie einer Bekannten des Autors. Sie berichtet nicht über das Leben einer stark körperlich behinderten 17-Jährigen, die laut ärztlicher Prognosen bereits mit 7 Jahren hätte tot sein müssen; vielmehr geht sie der Frage nach, was mit uns «Gesunden» passieren könnte, wenn wir das Glück haben, einen Menschen wie Bettina kennen zu lernen.
Aus diesem Grund ist die Erzählung auch ungeheuer wertvoll und empfehlenswert, denn alle, die eine Person wie Bettina sehen, werden wohl einen mehr oder weniger grossen Schock erleiden. - Fragt sich dann, wie man sich verhält.
Gross geschrieben, gut lesbar.
Mit einem Bein im Leben - Cordula Zickgraf
dtv Junior, 2002, TB, 157 S.
Andrea, durchtrainierte und erfolgreiche Leichtathletin, erwacht nach einem Verkehrsunfall im Spital. Ein Bein wird ihr amputiert.
Familie und Freunde sind froh, dass sie mit dem Leben davon gekommen ist, doch die Fünfzehnjährige ist lange Zeit nicht dieser Meinung. Während der Rehabilitationsphase, in der Andrea Bekanntschaft mit anderen behinderten Jugendlichen schliesst, erhält sie neuen Lebensmut und Perspektiven.
Ein Buch mehr von der Sorte, die Menschen konfrontiert mit dem "Was wäre wenn..., ich nach einem Unfall behindert wäre..?"
Für eine Person, die sich noch nie mit dieser Thematik auseinander gesetzt hat, ist diese Geschichte sicher ein guter, anmachender Einstieg. Die Story ist süffig und fliessend zu lesen, nicht sehr oberflächlich, aber auch nicht wahnsinnig tiefgehend.
Cordula Zickgraf greift auf eigene Erfahrungen zurück; deshalb kommt die Geschichte recht glaubhaft daher.
Adam und Lisa - Myron Levoy
Deutscher Taschenbuch Verlag, 175 S., Taschenbuch; 13 Jahre bis Junge Erwachsene
Adam ist ein seltsamer Junge. Er stottert und benimmt sich einfach anders als die Jungen, mit denen Lisa bisher zu tun hatte. Vielleicht gerade deshalb will sie ihn näher kennen lernen, mehr über ihn erfahren. Adam erzählt ihr eine seltsame Geschichte - er komme von einem anderen Planeten, Vega X, und sei nur als Gast auf dieser Erde. Für Lisa steht fest, Adam ist ein liebenswerter Spinner! Doch bald merkt sie, dass Adam große Schwierigkeiten hat. Sie findet heraus, dass er in seiner Kindheit misshandelt wurde. Lisa braucht viel Geduld, um sein Vertrauen zu gewinnen. Sie darf ihn besuchen, lernt Adams Mutter und seine Schwester kennen wie auch seine ärmlichen Lebensverhältnisse. Doch die Offenheit und Wärme, die sie hier erfährt, sind das genaue Gegenteil ihrer eigenen Lebensumstände. Dieses Buch beschreibt die Bedeutung gegenseitigen Vertrauens. Es überzeugt durch seine Vorurteilslosigkeit.
Themen dieses Buches: Behinderung, Freundschaft, Gewalt, Selbstfindung, Widersacher, Unrecht, Unterdrückung
Paul ohne Jacob - Paula Fox
Sauerländer, Aarau, 2001; 105 S.
Solch einen Bruder will Paul keinesfalls; er tut, als gäbe es Jacob nicht und übt sich darin, ihn zu ignorieren. Alle Annäherungsversuche von Jacob weist er entschieden zurück. Jacob ist ein Kind mit einem Konstruktionsfehler, findet Paul. Seine Eltern haben fast nur Augen für Jacob, was Paul nervt. Er findet sich zurück gesetzt und verhärtet sich total. Es dauert Jahre, bis Paul - mit Hilfe seines über alles geliebten Grossvaters - seinen Bruder mit Down-Syndrom in einem andern Licht sieht.
Wunderschöne, meisterhafte Erzählung über innere Nöte und die nicht ganz einfache Beziehung zu einem besonderen Kind, dem es gelingt, durch seine Natürlichkeit, aufrichtigen Gefühle und Ausdauer Liebe, Verstehen und Anderssein zu erringen und zuzulassen.
Ein stilles, ergreifendes, gut verständliches Buch, bestens empfohlen.
Alles Liebe. Deine Anna - Jean Little
C. Bertelsmann Verlag, 156 S.Taschenbuch; 10 Jahre bis 12 Jahre
Lehrermaterial dazu: Schulbus Lesepraxis 01
Anna ist die Jüngste der Familie Soldan. Sie wird von den älteren Geschwistern oft wegen ihrer Tollpatschigkeit gehänselt, in der Schule hat sie große Schwierigkeiten mitzukommen. Deutschland wird für die jüdische Familie immer gefährlicher, und so beschließen Annas Eltern, nach Kanada auszuwandern. Die Kinder sind nicht glücklich über diese Entscheidung. Besonders Anna weigert sich, die englische Sprache zu lernen. In Kanada angekommen, werden die Kinder vor ihrer Einschulung untersucht. Hier entdeckt man bei Anna eine erhebliche Sehschwäche, die Ursache ihrer Auffälligkeiten. In einer Spezialschule entdeckt Anna ihre eigenen Fähigkeiten und damit ein neues Leben.
Themen dieses Buches: Alleinsein Anderssein Angst Behinderung Bewährung Eltern Erfahrungen machen Familie Geschwister Hoffnung Schule Selbstfindung Starke Mädchen Umziehen Vorurteil
Verliebt? verlobt? Vergiss es! - Mame Farrell
Klopp, Hamburg, 2000; 172 S.
Hannah Billings neunjähriger Bruder leidet an Muskeldystrophie. Er bedeutet ihr alles. Malcolm Murgatroyd ist einvöllig unsportlicher, uncooler Streber, niemals nach der neusten Mode gekleidet, kein Typ, nach dem die Mädchen lechzen; auch Hannah nicht - wenigstens nicht in der Schule. Doch seit frühster Kindheit sind die Billings und Margatroyds eng befreundet und verbringen auch die Ferien zusammen... eine Tatsache, die Hannah unter allen Umständen ihrer Klasse verheimlichen will. Die Krankheit von Hannahs Bruder fördert die Entwicklung und das Selbstbewusstsein der Jugendlichen.
Eine realistische Geschichte über Freundschaft, Zivilcourage - mitten aus dem Leben gegriffen, spannend und einfühlsam geschrieben.
Delphinenrufe - Diana Noonan
aare Verlag, Aarau, 1995, 121 S.
«Es war Vollmond. Ich konnte trotzdem nichts erkennen. Das liegt an meinen schlechten Augen. In die Ferne sehe ich fast gar nichts, nur verschwommene Flecken. Deshalb habe ich normalerweise auch so viel Angst davor, im Meer zu schwimmen. Aber heute Nacht habe ich es getan, und ich weiss, ich könnte es wieder tun; irgendwie würde ich es schaffen. Und ich bin sicher, es lag an ihr, dem Delphinweibchen, dass es heute anders war.»
Dies sagt der sehbehinderte Seb, nachdem ihm der Delfin den seit einem Sturm vemissten Bootsmann gezeigt hat. Seb kann ihm dadurch das Leben retten. Mit dieser Tat erreicht er endlich sein Ziel, sich seinem Vater als vollwertigen und ernst zu nehmenden Menschen zu beweisen.
Diana Noonan ist es gelungen, die Empfindungen und Verletzbarkeiten eines sehbehinderten Jungen (ein)sichtbar zu machen. Mit viel Einfühlungsvermögen beschreibt sie Sebs Welt , der um die Anerkennung seiner Person kämpft. Erst nachdem es ihm gelungen ist, mit Hilfe einer Flöte Kontakt zu einem Delfinweibchen aufzunehmen, gelingt ihm dies.
Schöne, einfühlsame Geschichte, die sich auf eher unübliche Weise mit der Integration von Behinderten auseinander setzt.
Der Schwan mit der Trompete - E.B. White
Bertelsmann, München, 1996, 250 S. ill.
Der Junge Sam schliesst Freundschaft mit der Familie des Trompeterschwans Louis. Louis ist stumm; dies beeinträchtigt ihn in Kommunikation und Fortpflanzung. So beschliesst der Jungschwan, seinen Freund Sam aufzusuchen und mit ihm zusammen in die Schule zu gehen. Dies ist der Startschuss zu einem aussergewöhnlichen Schwanenleben, das Louis schlussendlich in ein völlig normales Schwanendasein führt.
"Der Schwan mit der Trompete", in den USA ein Kinderbuchklassiker, ist eine poetische Geschichte des Autors von "Wilbur und Charlotte" - vergleichbar mit einer Art moderner Fabel, die die verschiedenen auch sprachlich Menschentypen meisterhaft zu stilisieren versteht. E.B. White berichtet über einen Aussenseiter, der es schafft, seine Behinderung zu überwinden; gleichzeitig beschreibt er eine rührende Freundschaft zwischen Mensch und Tier. Eine wunderschöne und ansprechend illustrierte Erzählung, die das Anderssein auf ganz unkonventionelle Weise angeht.
Freunde und Freunde - Cynthia Voigt
Unionsverlag, Zürich, 1998, 279 S. Tb
Was sind Freunde? Was unterscheidet eine Freundschaft zwischen einer Clique «bester Freundinnen» und einer «Nicht-Freundschaft» zu einer Klassenkameradin? Wer hält schliesslich zu Isobel nach ihrem Unfall, der die Amputation eines Beines zur Folge hat?
Der Roman beschäftigt sich v.a. mit der Identitätskrise Isobels während ihres Spitalaufenthalts und der darauf folgenden Wiedereingliederung in die Gesellschaft. Dabei wird ihre Welt ganz schön auf den Kopf gestellt, und sie lernt, dass Selbstvertrauen in erster Linie von innen und nicht von aussen kommt.
Gelungener Roman zum Thema «Behinderung und Selbstwertgefühl».
Mit Clara sind wir sechs - Peter Härtling
Beltz Verlag, 151 S., Taschenbuch; 10 Jahre bis 12 Jahre
Das Haus gleicht einer Schuhschachtel, findet Philipp. Für die fünf Familienmitglieder passt es gerade noch. Paul, Therese und Philipp haben jeder ein eigenes kleines Reich. Als die Eltern den Kindern eröffnen, dass die Mutter ein Kind erwartet und Philipp mit Paul zusammenziehen sollen, stösst das nicht gerade auf Zustimmung. Paul ist noch klein und für Philipp würde es eine grosse Einschränkung bedeuten. Als die Familie erfährt, dass das Baby eventuell behindert zur Welt kommen wird, tritt alles, was bisher wichtig war, in den Hintergrund, und als Clara dann geboren wird, rücken alle näher zusammen.
Themen dieses Buches: Behinderung, Familie, Geschwister
Freak - Rodman Philbrick
Ravensburger Buchverlag, Ravensburg, 1998, 190 S.
Kevin, genannt Freak, ein knapp 1 m grosser, lebenssprühender und intelligenter 13-jähriger und sein gleichaltriger, scheinbar unbeholfener, riesengrosser Freund Max sind die beiden Hauptfiguren dieser temporeichen Geschichte. Sie sind ein unschlagbares Team, jeder ist auf die Hilfe des andern angewiesen; gemeinsam behaupten sie sich in vielen spannenden Situationen.
«Freak» ist eine witzig geschriebene, spannende Erzählung über zwei Aussenseiter. Bemerkenswert, wie es dem Autoren gelungen ist, Vorurteile und Bilder von Behinderungen zu «verwischen», indem er zeigt, wie stark Menschen sind, wenn man ihnen Gelegenheit gibt, das zu leben, was sie wirklich können.
Und über uns der Sternenhimmel - Jane Mitchell
dtv pocket plus, München; 1999; 206 S.
Tony ist 15, als er als alkoholisierter Beifahrer in einem gestohlenen Auto in einen schweren Autounfall gerät. Gelähmt und bewusstlos wird er viele Wochen danach in eine Reha-Klinik bei Dublin gebracht. Stephen, ein schwer behinderter Patient in der Klinik, wartet geduldig und gespannt auf Tonys Erwachen und hilft ihm in der Folge auf dem anstrengenden Weg zurück ins Leben. Dienste leistet den beiden dabei ihre gemeinsame Vorliebe für Musik; sie erfüllen sich mit Unterstützung anderer einen Traum und gründen eine Band, mit der sie bei einem Schulwettbewerb gewinnen - allen
Widerwärtigkeiten zum Trotz!
<cite>Die Geschichte lebt von den Erfahrungen, die Jane Mitchell hauptberuflich als Mitarbeiterin in einem Reha-Zentrum macht; sehr präzise und tief gehend, manchmal fast zu blumig und ausschweifend beschreibt sie aus verschiedenen Blickwinkeln Vorgänge, Probleme, Ängste und andere Gefühlsabläufe einer Rehabilitation: Der ständige Tod vor Augen, die Suche nach Zielen und Träumen, für die es sich zu leben lohnt, die Motivationskraft, der Durchhaltewillen, der tägliche physisch und psychisch fordernde Überlebenskampf - die einfühlsame Beschreibung all dessen macht das Buch zu einer Gedanken anregenden, ungewöhnlichen und beeindruckenden Lektüre, die jugendlichen Leserinnen und Lesern breit empfohlen werden kann.</cite>
Der gestohlene Sommer - Hanna Jansen
Thienemann, 2001; 189 S.
Andis muss sich in den Ferien um seine kleine, geistig behinderte Schwester Theresa kümmern, weil seine Mutter nach der Trennung von ihrem Mann depressiv geworden ist. Er ist ihr ein liebevoller Bruder, obwohl ihn ihre Hilflosigkeit manchmal überfordert. Eines Tages ist das Bootshaus am See besetzt; Lilo, eine Vagabundin, die Andis in ungewohnter Weise provoziert, hat sich dort einquartiert. Er ist vorerst gegen ihr Bleiben, doch schon nach kurzer Zeit hat die junge Frau einen natürlichen Zugang zu Theresa gefunden, der sie in ihren Möglichkeiten aufblühen lässt. Und so überlässt Andis Theresa ab und zu mal Lilo, damit er mit seinem Freund zusammen sein kann. Plötzlich ist Lilo verschwunden - und mit ihr Theresa.
Die Autorin beschreibt einfühlsam vier Menschen - in Aussenseiterpositionen und in unterschiedlicher Lebenslage, die ihre Konflikte untereinander auf verschiedene Weise austragen.
Vorurteile, Verantwortung und Behinderungen werden thematisiert.
Zwei Freunde, ein Skateboard - Gull Akerblom
Schneider Buch, München, 2000, 140 S.
Crazy Sam, ein etwas verrückter chaotischer Aussenseiter in der Klasse will dem coolen und intelligenten Mädchen Moa das Skaten beibringen; in einem Monat bereits soll Moa schwierige Tricks auf der Rampe schaffen...
Im Glauben, dass es um eine Wette ginge, wo sie ihrem heimlich angehimmelten Verehrer beweisen könne, dass sie echt etwas drauf hat, nimmt Moa Sams Angebot an und übt wie besessen....
..und die Dinge nehmen ihren Lauf..... jedoch nicht ganz so wie es sich Moa erträumt hat....
Insgesamt eine unterhaltende, amüsante und rasante Liebesgeschichte aus Moas sowie aus Sams Perspektive erzählt. Was gefällt, ist die schrittweise Annäherung und gegenseitige Akzeptanz eines derart Lese- und Schreibschwachen (dass er als wirklich behindert gelten kann) an eine super intelligente "Klassefrau" sowie die Betonung, Bewertung und "Gleichstellung" verschiedener Charakterstärken.
gut lesbar, jugendnah
Als die Steine noch Vögel waren - Marijaleena Lembcke
Nagel&Kimche, Zürich, 1998; 115 S.
Pekka wird mit Verwachsungen geboren, deren Operationen einen zweijährigen Aufenthalt im «Kinderschloss», einer Kinderklinik, erfordern. Als er nach Hause kommt, beginnt für die grosse Familie in Finnland eine intensive, erlebnisreiche Zeit. Pekka ist ein ganz besonderer Junge. Er ist nach wie vor behindert, doch voll ins Leben integriert und kann viele(s) in seinen Bann ziehen, wenn er allem und allen (Menschen, Tieren, Düften, Gegenständen) erklärt, dass er sie liebt. Am meisten jedoch liebt er die Vögel und die Steine, weil sie seiner Meinung nach einmal Vögel waren.
Marijaleena Lembckes Geschichte trägt offenbar stark biographische Züge. Es gelingt ihr ausgezeichnet, auf einfühlsame und liebevolle Weise und mit sprachlicher Leichtigkeit Sympathie für Pekkas Andersartigkeit hervorzurufen. Eine Familiengeschichte mit Herz.
Tage mit Eddie - oder was heisst schon normal - Janet Tashjian
Dressler Verlag, Hamburg, 1999,172 S. ill.
Tru ist die Zwillingsschwester des gesitig behinderten Eddies. Sie kümmert sich humorvoll und kameradschaftlich um ihren Bruder, der die Schule in einer integrierten Parallelklasse besucht. Trotzdem kommen nicht alle sofort mit seinen Eigenarten klar. Um ihm das Leben leichter zu machen, sucht sie unbeirrt und mit allen erdenklichen Mitteln nach einem Heilmittel für Eddies Behinderung. Langsam erkennt sie, dass sie ihm am besten hilft, wenn sie einfach seine Schwester und Freundin ist.
<cite>«Tage mit Eddie» ist eine rührende, humorvoll sprudelnde Geschichte einer Geschwisterliebe. Sie ist mosaikartig aufgebaut, in kurzen, meist unzusammenhängenden Kapiteln, die helfen, sich der Eigenarten und Gefühlswelten der beiden bewusst zu werden (z.B.: Online-Unterhaltung; Wörter, die ich hasse; Was Eddie (vielleicht) denkt; Sachen, die mir so peinlich sind; Was Eddie auf dem Computer meiner Mutter schreibt). Janet Tashjian verstrickt geschickt die technische Welt der heutigen Kids mit Fragen der ganz menschlichen und untechnischen Daseinsberechtigung.</cite><cite>
</cite><cite>Ein munteres, unkonventionelles und gefälliges Buch, das moderne Jugendliche ansprechen wird.</cite>
Good Luck, grosser Bruder! - Marcia Leite
Esslinger Verlag, Esslingen/Wien, 1998, 125 S.
Paulo verlässt seine Heimat Brasilien, um in London Arbeit zu suchen. Und damit verliert sein sechzehnjähriger Bruder Luís, querschnittgelähmt, «seine Beine» und ist nun plötzlich ganz auf sich alleine gestellt. Aus der Korrespondenz zwischen Luís und Paulo erfährt die Leserschaft von den Erlebnissen der beiden und wird in ihre Gefühlswelt hinein gezogen.
Ich bin nicht aus Stein - Dirk Bracke
Rex Verlag, Luzern, 1998, 180 S.
Ausgerechnet Siem, der 16-jährige picklige, coole und knallharte Typ, der Schutzgeld erpresst oder Briefkästen anzündet, verliebt sich hoffnungslos in die wunderschöne Autistin Paulien. Er begleitet sie während rund 2 Monate, wird Teil ihrer speziellen Welt, die er allmählich verstehen lernt. Schmerzhaft ist es für ihn, sich trotz aller Geduld eingestehen zu müssen, dass Paulien seine Gefühle nicht erwidern, seine Gedanken und Absichten nicht richtig einschätzen kann und nicht fähig ist, «vernünftig» und spontan zu handeln.
Die Geschichte von Siem und Paulien ist spannend und beeindruckend geschildert. Der Rohling Siem entwickelt Gefühl und Verständnis für Andersartige, ohne deren Situation auszunützen.
Im Nachwort erläutert ein Jugendpsychiater verschiedene Formen und Auswirkungen von Autismus. Dies wertet das Buch auf und macht das Verhalten Pauliens erklär- und nachvollziehbar.
Romeos Küsse - Martina Dierks
Altberliner, 2000, 303 S.
Drei Monate zu eilig hats Paula bei ihrer Geburt gehabt. Einer Geburt mit Folgen, die ihr 15 lange Jahre zu schaffen machen: Während dieser Zeit erlebt sie ihre cerebrale Behinderung als ein Gefängnis ihres Körpers. Paula wächst in einer Schauspielerfamilie auf, überbehütet, umsorgt. Als das Mädchen eines Tages in die Rolle von Shakespeares König Richard dem Dritten schlüpft, mit dessen Schicksal sie sich identifizieren kann, beginnt für sie der Kampf um ihre Befreiung, die Akzeptanz ihrer Behinderung, der Ausbruch aus Schuldgefühlen, Selbstmitleid, Eifersucht, Versagen, Entfremdung und Bemitleidetseinwollen.
<cite>Martina Dierks erweist sich einmal mehr als genaue Beobachterin und Kennerin der Szene. Detailliert und authentisch beschreibt sie Situationen und Gefühle, Prozesse, die in einer Familie mit einem behinderten Kind ablaufen; der Kampf um echte Integration, gegenseitige Akzeptanz, Selbständigkeit und Loslösung wird aus verschiedenen Blickwinkeln beschrieben. </cite>
Die Autorin bedient sich einer äusserst blumigen, ironischen und humorvollen Sprache, gespickt mit vielen ungewöhnlichen Metafern. Eingeflochten sind - in Klammern - viele unausgesprochene Gedanken und Zitate aus Shakespeares Drama. Dies ergibt komplexe, lange, umständliche und ausschweifende Sätze, welche das Buch zu einer recht anspruchsvollen Lektüre machen.Von der Aussage her ein wichtiges, realitätsnahes Buch für behinderte und nicht behinderte Menschen.
Eine zuviel - Nira Harel
Alibaba Verlag, Frankfurt am Main, 1998; 111 S.
Die 12-jährige Mejrav wohnt zusammen mit ihren Geschwistern und Eltern in Israel. Nach einer Fernsehsendung über ausgestossene behinderte Kinder beschliesst Mejravs Mutter, trotz aller Widerstände von Familie und Bekannten ein solches Baby mit Down-Syndrom aufzunehmen.
Das süsse Baby Roni gewinnt alle Herzen und verändert die Beziehungen innerhalb der Familie allmählich. Wie sehr Roni zum neuen Beziehungsgefüge gehört, wird sichtbar, als alle um sie bangen, als sie sich in Amerika einer schwierigen Herzoperation unterziehen muss.
Die Geschichte wird aus der Sicht Mejravs erzählt. Offen und nachvollziehbar wird von den widersprüchlichsten Gefühlen berichtet. Mejrav lässt uns an der Entwicklung ihrer Empfindungen und Ängste teilhaben. Etwas befremdend, wenn auch nachvollziehbar ist der Schluss der Geschichte.
Lohnende, gut lesbare, spannende Erzählung.
Jetzt erst recht! - Julie Johnston
Urachhaus, Stuttgart, 1999; 209 S.
Die 13-jährige Keely will der Welt beweisen, dass sie kein Kind mehr ist und durchaus als Erwachsene ernst genommen werden könnte. Wie schwer ihre Ideale zu verwirklichen sind, muss sie erfahren, als ihr abenteuerlustiger und sportlicher Bruder Patrick nach einem Schwimmbadbesuch - wie das früher oft der Fall war - an Kinderlähmung erkrankt und eine Lähmung am ganzen Körper davon trägt. Mit viel Ausdauer und Einfallsreichtum versucht sie, seinen Lebenswillen wieder zu wecken.
Die humorvolle, einfühlsame und glaubwürdige Geschichte aus dem Amerika der Nachkriegsjahre zeichnet die parallele Entwicklung zweier Geschwister: den Kampf um Anerkennung einer Jugendlichen, die die "Kinderschuhe" ablegen will und den Kampf ums Überleben-Wollen, um die Selbstannahme und die Akzeptanz eines Behinderten. Der Autorin, einer Frau, die beruflich jahrelang mit Behinderten arbeitete, ist ein engagierter und mitreissender Roman gelungen, der keineswegs sentimental wirkt und die Probleme, Spannungen und Selbstzweifel, die eine plötzliche, unerwartete körperliche Beeinträchtigung nach sich ziehen realistisch schildert. Grossartiges, wärmstes empfohlenes Buch!
Quasselstrippe - ein stummes Mädchen hat viel zu sagen - Morris Gleitzmann
Anrich Verlag, Weinheim, 1995; 139 S.
Rowena ist stumm, aber sie hat eine Menge zu sagen; dies gelingt ihr meistens ganz gut. Nur ihrem Vater kann sie schwer klar machen, dass er sich zeitweise völlig daneben benimmt.
Beeindruckend, wie Rowena es fertig bringt, ohne Worte überall das mitteilen zu können, was sie will! Ihre Fantasie, ihr Selbstbewusstsein und ihre Abneigung gegen Leute, die Mitleid mit ihr haben, machen dieses Buch zu einer faszinierenden Lektüre.
Einfache, witzige Sprache, gut nachvollziehbar. Gut lesbar für Leseungewohnte oder sprachlich weniger Begabte.
Eine Freundin wie Zilla - Rachna Gilmore
Erika Klopp Verlag, München, 1997; 124 S. ill.
Die 10-jährige Nobby verbringt mit der 17-jährigen, leicht geistig behinderten Zilla wunderbare Ferien. Mit ihr kann sie im Baumhaus spielen, Möwen füttern, kochen und sie lernt von Zilla viel Praktisches aus der Natur.
Alles läuft gut, bis Nobbys selbstgerechter Onkel auftaucht, der mit der Andersartigkeit von Zilla schlecht umgehen kann; Zilla ist gekränkt, verunsichert und zieht sich zurück. Eines Tages verunfallt Onkel Chadd, wird aber dank Zilla gerettet. Dieser dramatische Höhepunkt bewirkt eine Wende in Onkel Chads Verhalten gegenüber Behinderten.
Frisch und unbeschwert wird in dieser Geschichte das Thema Anderssein angegangen. Subtil werden Schwierigkeiten im Zusammenleben und Werte unter die Lupe genommen. Nobbys Familie wird durch verschiedene Ereignisse «gezwungen», sich in einzelne mitbeteiligte Personen einzufühlen, andere zu verstehen und die eigenen Massstäbe zu korrigieren.
Humorvolle und feinfühlige Erzählung, die bereits 10-Jährigen empfohlen ist.
Anarkai - Per Nilsson
aare Verlag, Aarau, 1998, 202 S.
«Die Räder rotieren, die Räder rollen. Ich bin auf dem Weg.» Dies zieht sich als Motto durch die Geschichte einer ungewöhnlichen Selbstfindung des Aussenseiters Johan. Mit Hilfe der Freundschaft zum punkigen und Kunststücke vorführenden Kai und zum aussergewöhnlichen Mädchen Gro, in das er sich auch prompt verliebt, vermag Johan seine Einsamkeit und sein Selbstmitleid zu durchbrechen.
Per Nilsson erzählt die Geschichte von Johans nicht aus der Sicht eines physisch Behinderten, sondern aus der Perspektive eines normalen, etwas unbeholfenen Jugendlichen. Erst gegen Schluss des Romans erfahren wir, dass Johan Muskelschwund hat und im Rollstuhl sitzt. Das Thema Behinderung ist in den Hintergrund gerückt und wird in moderner, direkter Sprache (vielleicht etwas allzu locker) angegangen. Liebe und Sexualität stehen im Zentrum.
Ti - van Daele Henri
Anrich/Beltz Verlag, Weinheim, 260 S.
Ti, der eigentlich Johannes heisst, jedoch Ti genannt wird, weil er nichts anderes sagen kann als "ti", lebt bei Cordule, die jedoch nicht seine leibliche Mutter ist. Ti wird von allen im Dorf gemocht.
Er verbringt seinen Tag mit Streifzügen durch die Umgebung, bis eines Tages etwas geschieht, das das Leben des geistig Behinderten für immer verändert.
Das Buch wird aus zwei verschiedenen Perspektiven erzählt - aus der Sicht Tis und aus jener des aussenstehenden Jungen Rie. Dies bringt zwar zwei grundverschiedene Ansichten auf den Plan, hat jedoch zur Folge, dass die Gedanken an der Oberfläche bleiben und die Geschichte verkompliziert wird. Zudem wirkt das Buch teilweise in die Länge gezogen, was wiederum zu einer Geduldsprobe für die Leserschaft führt.