Zeitungsartikel in den Medien anfangs November 2016

Leidgeprüftes Haïti - und kaum einer schaut hin

Hand aufs Herz: Wie sehr beeindruckten Sie die Bilder zu den Wirbelsturm-Schäden "Matthew" aus Haïti, die eben durch den Äther liefen? Schlimm, ja, es ist halt so, eine Katastrophe mehr oder weniger in fremden Ländern erschüttert uns hier wenig, je länger je weniger.

Anders sieht das für die Betroffenen selber aus. Die Verwüstung ist enorm, die Seuchengefahr omnipräsent.

 

 „Matthew“ ist seit vielen Jahren der stärkste Wirbelsturm, der über den Südwesten Haïtis herzog. Zudem kam er nur im Schneckentempo voran und hinterliess Zerstörung und Verluste von mehr als 1000 Menschen, Tieren, die als Lebensgrundlage dienten, Lebensmitteln, Pflanzungen (für das ganze Land), Strassen, Brücken und vor allen Dingen Häuser und Hausdächer. Die kurz- und langfristigen Folgen bedeuten vermutlich eine weitere Katastrophe mit Cholera, Unterernährung, Obdachlosigkeit.

 

 "Matthew" verwüstete viele Städte dem Meer entlang, einige sind bis zu 80 oder 90% zerstört. Das Hinterland und die Berge sind ebenso betroffen, die Lage ist katastrophal, weil die meisten Gegenden quasi unzugänglich und von der Regierung vernachlässigt sind: Schulen, Krankenhäuser, Kliniken und Trinkwassersysteme liegen am Boden. Gemäss Premierminister Enex Jean-Charles (haitilibre.com/lenouvelliste.com, 29.10.16) betragen die Schäden rund 1.9 Mia. USD, was mehr als 20% des BIP des Landes ausmacht. Allein die geschätzten Verluste in der Landwirtschaft betragen rund 600 Mio. USD, gleich viel wie die Schäden an den 175'000 zerstörten Häusern. Wer wird für diese Schäden aufkommen? Das Staatsbudget liegt einiges unter der geschätzten Schadensumme.

 

Die Folgen dieser Katastrophe sind vielfältig:

 

Ein Wiederaufleben der Cholera ist vorprogrammiert, wenn man bedenkt, dass tote Pflanzen, Tiere, Menschen und Exkremente in Überschwemmungen ein idealer Nährboden für Epidemien bietet. Es wird dringend aufbereitetes Trinkwasser benötigt, um die Ausbreitung der Krankheit zu begrenzen.

 

• Es herrscht ein lebensbedrohlicher Mangel an Lebensmitteln, denn Nutzpflanzen und Tiere wurden weggespült. Überall liegt Schlamm; meist steht nicht mal trockenes Brennholz zum Kochen zur Verfügung; kommt dazu, dass es in der ersten Woche nach dem Wirbelsturm in vielen betroffenen Gebieten fast nonstop geregnet hat. Der Süden ist die Kornkammer Haïtis. Da nun fast alles zerstört ist, wird das ganze Land den Hunger zu spüren bekommen.

• Es braucht dringend Saatgut für die Äcker und Baumschulen, damit langfristig Naturgewalten wie Erdrutsche, Überschwemmungen und Bodenerosion durch grosse Waldflächen gebremst werden können.

 

• Wann werden die Schulen und Gesundheitszentren in den betroffenen Gegenden für Tausende von Menschen wieder zugänglich sein? Von den Präsidentschaftswahlen, die nach x Verschiebungen am Sonntag nach dem Sturm hätten stattfinden sollen  gar nicht zu sprechen!

Die Reaktion der internationalen Gemeinschaft ist immer noch eher zurückhaltend und scheint nicht zur Grösse der Katastrophe zu passen. Die Erste Hilfe trifft nur tröpfchenweise ein.

 

Die Armut mit eigenen Augen gesehen

2014 habe ich Haïti besucht, im Slum gelebt, nachdem ich vorher zwei Container Material gesammelt hatte, um damit die vom pensionierten und ausgewanderten EX-Lehrer Otto Hegnauer (welcher beim Erdbeben 2010 sein Haus, Hab und Gut verlor) neu erbaute gratis Schule ESMONO für Strassenkinder auszurüsten. Die Schule, die in einer steilen Schlucht in einem Slum oberhalb der Hauptstadt Port-au-Prince liegt, ist Gott sei Dank in der aktuellen Katastrophe mit kleinem Schaden davon gekommen. Allerdings gibt es Verbindungen zu betroffenen Gebieten. Wir haben etwas Geld geschickt, um den Einwohnern in Anse-à-Veau Soforthilfe zu bieten. Das Dorf liegt mit Ausnahme von drei Häusern am Boden (wie es unten am Strand mal aussah, ist in Youtube-Filmen zu sehen), von der Regierung gabs keine Hilfe.  Fahrzeuge und weiteres Material konnten nicht aus dem Schlamm oder den Abbrüchen gehievt werden. Keine Nahrung, kein Trinkwasser, nichts, kein trockenes Brennholz, Brücken kaputt, Strassen unterbrochen, schwere Zugänglichkeit, Fahrten und Märsche zu Fuss v.a. nachts (heisst ab 19 Uhr ) - lichtlos - gefährlich. Der Vater unserer Schulleiterin ist einer der Glücklichen, dessen Haus noch steht, wenns auch Tag und Tag wegen des Nonstop-Regens nach dem Wirbelsturm durchs Dach rinnt. Der Mann bietet Obdachlosen Unterschlupf.

 

Sofort- und Aufbauhilfe tut not

Ich habe etwas Geld für Soforthilfe geschickt, ein munzig kleiner Tropfen auf den heissen Stein; die Schulleiterin von ESMONO hat daraus Lebensmittel gekauft und  für die am schlimmsten Betroffenen kleine Geldbeträge in Couverts abgepackt. Sie hat in einer gefährlichen Tagesreise alles selbst vor Ort gefahren und mit ihrem Vater zusammen an die Bedürftigen verteilt. Über die Empfänger wurde genau Buch geführt. Weitere Spenden werden gleich gehandhabt. Ich stehe im ständigen Kontakt mit mehreren Leuten vor Ort, werde geupdatet und vertraue den Personen zu 100%. Es besteht noch sehr viel Bedarf an allem.

Wo 2010 nach der Erdbebenkatastrophe Gelder flossen, ist die Quelle heute quasi versiegt. Schade. Meines Erachtens sind die Schäden durch "Matthew" und dessen Auswirkungen für die Einzelnen grösser als beim Erdbeben 2010. Not- und Aufbauhilfe täten wohl und not, vor allem wenn sie gezielt und garantiert eingesetzt werden. Setzen Sie ein Zeichen, schauen SIE hin. Sie werden sehr viel Freude bereiten und ein bisschen mithelfen, Elend zu verringern. Vielen Dank.

Infos zu ESMONO finden Sie unter www.lesefutter.ch (Bild-/Infomaterial zu Schule und Haïti-Reise)  und der Website der Vereins PRO ESMONO www.esmono.ch (Blogs von Schul-Gründer Otto Hegnauer).

Spendenkonto:

Pro Esmono, Zürcher Kantonalbank Kto.1100-05239615, IBAN CH52 0070 0110 0052 3961 5, SWIZKBKCHZZ80A.

Bitte für Katastrophenhilfe Vermerk "DIREKTHILFE". Danke!

 

Spendenbestätigung spätestens bis Ende Jahr / Updates zur Verwendung der Spendengelder auf den Websites

 

Christine Fischer, 30.10.16

 

Fotos aus Anse-à-Veau, von Melissa Charles